„Die Verbindung von Alt- und Neubau finde ich immer sehr reizvoll.“
„Die Verbindung von Alt- und Neubau finde ich immer sehr reizvoll.“
Bemusterung der Ziegel für die Neubauten
Bemusterung der Ziegel für die Neubauten
Im Interview spricht Annette Axthelm über Architektenwünsche und Bauherrenvorgaben bei der Planung der Schreibfederhöfe, über den Umgang mit dem Denkmalschutz und eine besondere Ziegelfassade.
Frau Axthelm, wie hat sich die Existenz der alten Schreibfederfabrik auf dem Grundstück auf den Entwurf der Neubauten ausgewirkt?
Ich glaube, es gibt nichts Spannenderes, als dieses Zusammenspiel von Neu- und Altbau. Deshalb haben wir uns sehr gefreut, dass es sich nicht um ein Tabula-rasa-Grundstück handelt, welches wir ja oft haben, sondern dass es schon einen Anker gab, der Maßstäbe setzt. Durch die Ziegelarchitektur und das eher Schwere und Ge-setzte der Schreibfederfabrik war schnell klar, dass hierfür auch eine Entsprechung im Neubau gefunden werden musste. Normalerweise realisieren wir ja sehr gläserne Gebäude. Doch zu diesem Fabrikgebäude musste etwas, das solide und wertig wirkt, und ich glaube, das passt auch besser in diesen Bezirk. Der Ziegel war daher von vornherein gesetzt und damit auch eine gewisse „Wehrhaftigkeit“ und Bodenhaftung für die Neubauten festgelegt.
Nicht umsonst hat der Standort den Namen Schreibfederhöfe erhalten. Durch das Zusammenspiel von Bestandsgebäude und Neubauten sind drei kleine Höfe entstanden, die öffentlich, halb-öffentlich und privat sind. Wie hat sich das ergeben?
Das Ganze entwickelt sich daraus, dass die Fabrik in der Mitte des Grundstücks liegt und die beiden Neubauten die Straßenränder schließen, aber trotzdem aus den Straßenräumen der optische Bezug zur Fabrik möglich sein sollte. Deswegen war es gut, dass wir an der Boxhagener Straße sowieso den städtebaulichen Abstand zum Nachbargrundstück halten müssen, dadurch kann man die Fabrik schon von der Straße aus gut sehen. An der Weserstraße wird der Durchblick auf die Fabrik durch eine richtig hohe Durchfahrt gesichert. Auf diese Weise bleibt das Kleinod, das die Schreibfederfabrik ja in diesem Fall ist, von beiden Seiten aus sichtbar und unverbaut. Durch diese Planung hat sich auch die Anlage der drei Höfe ergeben: Vom öffentlichen an der Boxhagener Straße zum halböffentlichen an der Schreibfederfabrik und weiter zum privaten Wohnhof zur Weserstraße hin – eine Entwicklung von der lauten zur leisen Straße.
Welche Rolle spielte der Denkmalschutz bei der Planung?
Die Abstimmung mit der Denkmalpflege ist in einem solchen Fall natürlich sehr wich-tig. Hier haben wir in vielen Runden mit dem Denkmalschutzamt alle wichtigen Dinge abgestimmt: Wir verwenden Ziegel, die im Farbspiel des Bestandsbaus bleiben, wir ergänzen den Neubau, den wir an die Schreibfederfabrik setzen, auch in Ziegel, wir nehmen auch die Pfeilerstrukturen, d.h. die Gliederung der Fassaden auf, damit sich die Ergänzung harmonisch einfügt.
Die straßenseitige Aufstockung des Denkmals wurde heiß diskutiert. Dort konnte sich die Denkmalpflege mit der Rekonstruktion des Schrägdaches mit Gauben durchset-zen, wir wären gerne etwas moderner geworden. Dafür gelingt es an derselben Fassade, den Vorbau, der im Laufe der Zeit leider hässlich überformt wurde, wieder rück-zubauen und damit aufzuwerten. So ist es immer ein Geben und Nehmen.
Beide Neubauten werden Klinkerfassaden zur Straßenseite und Putzfassaden zur Innenseite erhalten. An der Weserstraße entsteht eine besondere Fassade mit einem Farbverlauf. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Wir haben eine Idee gesucht von den hellen Putzfassaden, an die wir in beiden Straßenzügen mit unserem Projekt anschließen, vom hellen Putz zu den dunklen Ziegeln der Schreibfederfabrik überzuleiten. So entstand die besondere Fassadengestaltung. An den Nachbarn beginnen wir, passend zu den hellen Putztönen, mit hellen Ziegeln. Diese entwickeln sich Ton für Ton harmonisch von hellbeige zu dunkelrot. Die große Herausforderung ist es, Ziegel zu finden, die solch einen Farbverlauf abbilden können. Wir haben bestimmt mit 20 Herstellern gesprochen, uns 50 Muster schicken lassen, und jetzt eine Ziegelei gefunden, mit der wir das richtige Farbspiel realisieren können. Das Ganze ist für mich ein kleines Forschungsprojekt, weil wir so etwas auch noch nie realisiert haben.
„Zu diesem Fabrikgebäude musste etwas, das solide und wertig wirkt.“
„Zu diesem Fabrikgebäude musste etwas, das solide und wertig wirkt.“
Wie bekommt man es handwerklich hin, den gewünschten Farbverlauf in der Ziegelfassade zu erzielen?
Die Ziegel werden in entsprechender Menge genau nach Charge und nach Farbe be-stellt und an die Baustelle geliefert. Vor Ort muss es dann jemanden geben, der sich darum kümmert, dass die Ziegel richtig gemischt sind und richtig vermauert werden. Die besondere Herausforderung ist hier ja auch, dass die hellen Steine eine andere Fugenfarbe bekommen als die mittleren und die dunklen, um einen harmonischeren Verlauf zu bekommen. Wir schreiben all diese Informationen in die Pläne, nummerieren die Flächen den Ziegelfarben entsprechend durch, und die Maurer müssen das Geplante in die Realität umsetzen. Damit alles optisch perfekt funktioniert, stimmen wir das Ganze im Vorwege über konkrete Mustertafeln ab.
Gebäude zu entwerfen ist ein kreativer Schaffensprozess. Das Produkt muss aber auch dem Bauherrn gefallen und seiner Kostenkalkulation entsprechen. Wie gestalten Sie als Architektin diesen Findungsprozess? Wie ist da Ihre Strategie?
Grundsätzlich bin ich ja keine Architektin, die nur einen Entwurf macht und dann sagt: Das ist es. Wir machen immer mehrere Varianten, suchen eine Vielzahl an Ideen, von denen wir denken, dass sie passen könnten. Unser Ziel ist es eigentlich, jedem Bauherrn dann drei Varianten vorzustellen, die als Diskussionsgrundlage dienen. Dabei ist es nicht immer so, dass man einen Favoriten hat. Oft ist man selbst auch ein bisschen hin- und hergerissen, merkt aber relativ schnell, was dem Bauherrn entgegenkommt und baut auf dieser Variante auf. Ich bin fest der Auffassung, dass es beim Entwurf sehr viele „Wahrheiten“ gibt.
Davon unabhängig gibt es in jedem Projekt natürlich auch die traurige Wahrheit, dass man „abspecken“ muss. Früher waren für diese Prozedur vor allem die Bauherren zuständig, heute sind es zunehmend die Ämter, die mitentscheiden wollen. Besonders moderne Architektur stößt oft auf größeren Widerstand und verlangt leider häufig mehr Verhandlungsgeschick von uns Architekten. Zum Glück hatten wir hier ämterseits Partner, die auch moderne Architektur wertschätzen. Bei den Bauherren geht es in der Regel um die Kosten, und da muss man einfach immer am Ball bleiben, muss versuchen an Qualität zu appellieren und aus Allem immer wieder das Optimum herauszuholen.
Jedes Projekt hat seinen eigenen Reiz. Worin lag er für Sie bei diesem Projekt?
Ein besonderer Reiz für mich ist in jedem Fall, dass wir es bei diesem Projekt nicht mit klassischer Investorenarchitektur zu tun haben, was für mich flächendeckender Wohnungsbau in hoher Uniformität bedeutet. Wir haben einen Bauherrn, der genau das nicht möchte, sondern offen ist für anderes und nicht absolute Flächenmaximierung an jeder Stelle betreibt.
Die Verbindung zwischen Alt- und Neubau, die ich immer reizvoll finde, habe ich schon genannt. Sie ist auch für die künftigen Nutzer sehr reizvoll, weil sie auf gewachsene Strukturen schauen, und das will ja eigentlich jeder, weil das einen besonderen Charme hat und typisch für Berlin und diesen Kiez ist. Auf dem Nachbargrundstück ist nichts gewachsen und die Neubauten sind sehr uniform. Da können wir einen Kontrapunkt setzen.
Ein besonderer Reiz des Projektes liegt für mich natürlich auch in dieser besonderen Fassade und den handgefertigten Ziegeln. Ein Qualitätsprodukt, das man selten verwenden darf und etwas durch die Putzfassaden im Innenhof preislich kompensiert wird.
Hat dieses Projekt etwas, das typisch Berlin ist, oder könnte es auch in jeder anderen deutschen Großstadt entstehen?
Das hat natürlich viel von Berlin, allein schon weil es in einem absoluten Berliner Kiez steht, der aktuell zu einem der begehrtesten in der Stadt wird. Typisch für Berlin ist auch die Nutzungsmischung. Der gesamte Standort war früher von Fabrikanlagen und Wohnen geprägt, man spürt an diesem Ort auch heute deutlich die Mischung aus Arbeiten und Wohnen, ein Thema, das perfekte Lebensbedingungen garantiert. Deshalb finde ich es auch sehr schön, dass das hier wieder so zum Zuge kommt und nicht alte Strukturen und Nutzungen aus der Fabrik herausgerissen werden und alles als Loft-Wohnen verkauft wird. Dann hätten wir hier eine langweilige Monokultur. Das Ergänzungsbauteil der Schreibfederfabrik erhält bewusst eine Büronutzung. Ich glaube, diese Mischung ist einfach immer erstrebenswert.
Auch das Thema Höfe ist sehr stark in Berlin verortet, der Wechsel von öffentlichem zu halböffentlichem Bereich findet sich historisch in fast jedem Berliner Altbau und wird bei uns modern übersetzt. So entsteht hoffentlich ein Stück Stadt, das an alte Traditionen anknüpft, aber moderne, lebenswerte Jetztzeit bietet.
Annette Axthelm erläutert die Entwürfe
Die Architekten Annette Axthelm und Henner Rolvien
Individualisten mit Hang zum Perfektionismus
Das Architekten-Duo AXTHELM ROLVIEN steht mit über 25 Jahren Erfahrung für Architekturunikate und versteht sich gleichermaßen auf Altbau wie auf Neubau. Von ihnen stammen die Entwürfe für die Neubauten der Schreibfederhöfe sowie für Anbau und Aufstockung der Schreibfederfabrik.
Für Annette Axthelm und Henner Rolvien, die ihre Büros 2010 zusammengeschlossen haben, um den Anforderungen an eine interdisziplinäre Vernetzung von Bauherrn, Planern und ausführenden Firmen noch besser gerecht werden zu können, ist es wichtig, für jedes Projekt eine individuelle Lösung zu finden und sich auf keinen immer wiederkehrenden Stil festzulegen. Geradlinige Konsequenz, abgeleitet aus der notwendigen Funktionalität, bestimmt hierbei die Architektursprache. Die gewünschten Inhalte fügen sich zu logischen Raumstrukturen zusammen und bilden die Basis für die Gestaltung und das Design. Ein hoher Anspruch an Linienführung, Materialität und Wertigkeit finden sich in allen Entwürfen wieder.
Die Liste der Referenzen ist neben Projekten in Deutschland und im Ausland vor allem eine Reise quer durch Berlin. Zu den neueren großen Projekten gehören z. B. das Lux und The Mile in Berlin-Mitte oder das Stue, die Revitalisierung der „Ehemaligen Dänischen Gesandtschaft“ in ein 5‑Sterne-Hotel am Berliner Zoo.
Die Architekten Annette Axthelm und Henner Rolvien
Individualisten mit Hang zum Perfektionismus
Das Architekten-Duo AXTHELM ROLVIEN steht mit über 25 Jahren Erfahrung für Architekturunikate und versteht sich gleichermaßen auf Altbau wie auf Neubau. Von ihnen stammen die Entwürfe für die Neubauten der Schreibfederhöfe sowie für Anbau und Aufstockung der Schreibfederfabrik.
Für Annette Axthelm und Henner Rolvien, die ihre Büros 2010 zusammengeschlossen haben, um den Anforderungen an eine interdisziplinäre Vernetzung von Bauherrn, Planern und ausführenden Firmen noch besser gerecht werden zu können, ist es wichtig, für jedes Projekt eine individuelle Lösung zu finden und sich auf keinen immer wiederkehrenden Stil festzulegen. Geradlinige Konsequenz, abgeleitet aus der notwendigen Funktionalität, bestimmt hierbei die Architektursprache. Die gewünschten Inhalte fügen sich zu logischen Raumstrukturen zusammen und bilden die Basis für die Gestaltung und das Design. Ein hoher Anspruch an Linienführung, Materialität und Wertigkeit finden sich in allen Entwürfen wieder.
Die Liste der Referenzen ist neben Projekten in Deutschland und im Ausland vor allem eine Reise quer durch Berlin. Zu den neueren großen Projekten gehören z. B. das Lux und The Mile in Berlin-Mitte oder das Stue, die Revitalisierung der „Ehemaligen Dänischen Gesandtschaft“ in ein 5‑Sterne-Hotel am Berliner Zoo.
Die Architekten Annette Axthelm und Henner Rolvien
Individualisten mit Hang zum Perfektionismus
Das Architekten-Duo AXTHELM ROLVIEN steht mit über 25 Jahren Erfahrung für Architekturunikate und versteht sich gleichermaßen auf Altbau wie auf Neubau. Von ihnen stammen die Entwürfe für die Neubauten der Schreibfederhöfe sowie für Anbau und Aufstockung der Schreibfederfabrik.
Für Annette Axthelm und Henner Rolvien, die ihre Büros 2010 zusammengeschlossen haben, um den Anforderungen an eine interdisziplinäre Vernetzung von Bauherrn, Planern und ausführenden Firmen noch besser gerecht werden zu können, ist es wichtig, für jedes Projekt eine individuelle Lösung zu finden und sich auf keinen immer wiederkehrenden Stil festzulegen. Geradlinige Konsequenz, abgeleitet aus der notwendigen Funktionalität, bestimmt hierbei die Architektursprache. Die gewünschten Inhalte fügen sich zu logischen Raumstrukturen zusammen und bilden die Basis für die Gestaltung und das Design. Ein hoher Anspruch an Linienführung, Materialität und Wertigkeit finden sich in allen Entwürfen wieder.
Die Liste der Referenzen ist neben Projekten in Deutschland und im Ausland vor allem eine Reise quer durch Berlin. Zu den neueren großen Projekten gehören z. B. das Lux und The Mile in Berlin-Mitte oder das Stue, die Revitalisierung der „Ehemaligen Dänischen Gesandtschaft“ in ein 5‑Sterne-Hotel am Berliner Zoo.
Handwerkliche Note
Ziegelfassaden in unterschiedlicher Farbigkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch die Schreibfederhöfe und geben den Gebäuden ihr individuelles Erscheinungsbild: die helle Fassade der Mietwohnungen an der Boxhagener Straße, die in ihrem Verlauf einmalige Fassade an der Weserstraße und die historischen Ziegelfassaden der Schreibfederfabrik, an denen sich die Neubauten in ihrer Farbgebung orientieren.
Neben der Individualität, die die Häuser durch die Ziegelfassaden erhalten, sind sie auch ein schönes Stück Handwerkskunst, denn das Zusammenstellen der Ziegel für die richtige Optik und das Aufmauern und Verfugen der Steine braucht geübte Hände. Die fertige Fassade ist ein kleines Kunstwerk, dazu wertbeständig und aus einem natürlichen Material hergestellt.
Handwerkliche Note
Ziegelfassaden in unterschiedlicher Farbigkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch die Schreibfederhöfe und geben den Gebäuden ihr individuelles Erscheinungsbild: die helle Fassade der Mietwohnungen an der Boxhagener Straße, die in ihrem Verlauf einmalige Fassade an der Weserstraße und die historischen Ziegelfassaden der Schreibfederfabrik, an denen sich die Neubauten in ihrer Farbgebung orientieren.
Neben der Individualität, die die Häuser durch die Ziegelfassaden erhalten, sind sie auch ein schönes Stück Handwerkskunst, denn das Zusammenstellen der Ziegel für die richtige Optik und das Aufmauern und Verfugen der Steine braucht geübte Hände. Die fertige Fassade ist ein kleines Kunstwerk, dazu wertbeständig und aus einem natürlichen Material hergestellt.